Die Reichsdrucke



Die Reichsdrucke


Die Reichsdrucke.

Kopie des Originals oder reine Fälschung?

 
Am 6. Juli 1879 wurde in Berlin die Reichsdruckerei aus einem Zusammenschluss der Preussischen Staatsdruckerei und der ehemaligen Hofbuchdruckereigegründet. Neben dem Druck von Geldscheinen, Briefmarken und Aktien entstand sehr bald eine Abteilung für fotomechanisch reproduzierte Kunstwerke. 1881 berichtete Gustav Schubert in der Gartenlaube2 über einige aufschlussreiche Details, den Ablauf in der Reichsdruckerei betreffend. So waren damals 7000 Arbeiter beschäftigt, die Reichsdruckerei verfügte bereits über 37 Schnellpressen und 198 sonstige Maschinen.

 

Reichsdruck340a

Reichsdruck 340a. Francesco Bartolozzi. Die Schauspielerin Elisabeth Farren, später Lady Derby. Farbstich in Punktiermanier nach Thomas Lawrence 47,5 x 31 cm. (Bildgrösse).

Grundsätzlich wird im Verzeichnis der Reichsdrucke von 1928 nur die Bild-, jedoch nicht die tatsächliche Blattgrösse angegeben. Das Original entstand 1792, Der Reichsdruck um 1920. Gerahmt sind die Blätter kaum zu unterscheiden.

 

Zur Sicherheitsfrage findet sich der Hinweis, dass die moralische Qualität der Angestellten über jeden Zweifel erhaben war und das Druckerpersonal durch Handschlag verpflichtet wurde, über die Herstellung der Wertpapiere und anderer Aufträge Schweigen zu bewahren.
Die Zahl der Mitarbeiter stieg bis 1918 auf 7.500 und bis 1922 auf 12.000 an. Noch 1940 wird von 6700 Angestellte berichtet1,2. Anfang 1919 wurde das Werksgebäude mehrere Tage von den Spartakisten besetzt. In der ersten Maiwoche 1945 kam es zu Plünderungen auf dem ungesicherten und zu mehr als 50% zerstörten Werksgelände1. Wieviele Blätter in diesen bewegten Zeiten ohne Stempel oder Wasserzeichen das Werk verliessen, ist nicht bekannt.

 

Dürer-reichsdruck

Albrecht Dürer. Die mit der Sonne bekleidete Frau und der siebenköpfige Drache. Staatsdruckerei Berlin, Reproduktion zwischen 1949 und 1951.

 

In der Einleitung zum Verzeichnis der Reichsdrucke3, das 1928 erschien, schreibt der Kustos am Staatlichen Kupferstichkabinett in Berlin, Professor Dr. Elfried Bock: ‘Es sind wahre Wunder der Lichtdruckkunst, die den mißtrauischsten Vergleichen mit den Originalen standhalten. Freilich birgt die hohe Qualität solcher Reproduktionen von Kunstwerken eine Gefahr in sich. Oft genug werden sie -im besten Glauben- als Originale im Handel angeboten und mißgünstige Beurteiler sprechen dann wohl von Fälschungen. Es sind auch tüchtige Kenner schon getäuscht worden. Natürlich braucht man solchen Einwänden nicht ernstlich zu begegnen. Für den Hersteller können Sie nur schmeichelhaft sein. Letzten Endes gibt es immer noch Mittel, Reproduktionen von Originalen zu unterscheiden3.

Damit gab Professor Bock nicht nur zu, dass die Reichsdrucke bereits damals von vielen als Fälschungen angesehen wurden, auch erwähnte er nicht eindeutig, wie sich denn nun die Reproduktionen und etwaigen Fälschungen von den Originalen unterscheiden lassen. Dazu in der Ausgabe von 1928 der folgender Hinweis: ‘Die Reichsdrucke tragen als Zeichen ihrer Echtheit am unteren Papierrande rechts als Blindprägestempel oder als Wasserzeichen den Adlerkopf mit der Umschrift “Reichsdruck”....um Täuschungen vorzubeugen, sind ausserdem alle Reichsdrucke auf der Rückseite mit dem in untilgbarer Farbe aufgedruckten Stempel “Faksimilereproduktion der Reichsdruckerei, Berlin” versehen. Angesichts der vielen Nachahmungen bitten wir alle Freunde der Reichsdrucke, auf dieses Ursprungszeichen zu achten.’ 

NummernderReichsdrucke

Meist unten links am äussersten Rand, befanden sich die Verzeichnisnummern. Diese waren sehr einfach zu entfernen, indem man das Blatt kurzerhand minimal beschnitt.

 

 

StempelReichsdruckerei
Links: Stempel der Bundesdruckerei (ab 1951). Mitte und rechts: Stempel der Reichsdruckerei und deren Vertriebspartner.

 

BlindprägestempelLinks: Blindprägestempel der Bundesdruckerei (ab 1951). Rechts: Stempel der Staatsdruckerei Berlin (von 1949 bis 1951).

 

 

Zu diesen beschriebenen Echtheitsmerkmalen äußerte sich 4 Jahre zuvor Albert Neuburger4:

'Neudrucke, wie Sie jetzt (1924!) z.B. die Reichsdruckerei in vorzüglichster Ausführung herstellt, werden in alte Originale umfrisiert. Jeder solcher Neudruck trägt am unteren Rand in erhabener Prägung das Zeichen seiner Herkunft und außerdem noch den Stempel der Reichsdruckerei. Die Prägung wird abgeschnitten, der Stempel ausradiert oder sonstwie entfernt. In ähnlicher Weise wurden die gleichfalls mit dem Stempel der Firma versehenen Amand Durandschen Heliogravüren nach Entfernung des Stempels als echte Rembrandts in den Handel gebracht. Diese Beispiele ließen sich noch um eine ganze Anzahl weiterer vermehren' 4.

Die genaue technische Anleitung zur Entfernung der “untilgbaren Farbe” und der Blindprägestempel findet sich bei Arnau5:

'Der Blindprägestempel wurde nach Durchdämpfen ausgebügelt, dies wurde so oft wiederholt bis die Prägespuren verschwunden waren, danach wurde die glatt gebügelte Oberfläche wieder leicht angerauht'.

Arnau berichtet in seinem 1959 erschienen Werk ebenfalls, wie die Dokumententinte des Stempels ausgebleicht werden kann. Zwar haben die hierzu benötigten Chemikalien, vorwiegend Chlorwasser, das Papier beschädigt, doch durch Aufsprühen einer sechsprozentigen Cellitlösung gewann das Papier seine Struktur zurück5.

Diese Art von Fälschung ist, unter dem Digitalmikroskop und ja sogar unter dem Binokular, leicht zu erkennen. Eine weitere Möglichkeit ist das Abschaben des Stempels, dazu hier ein Beispiel:

 Abschabung

Bei normaler Betrachtung fällt zunächst nichts auf. Bei einer Durchlichtaufnahme jedoch sieht man recht gut die abgeschabte, nahezu kreisrunde Stelle, an der sich auf dem Verso der Stempel befand.


Fälscher haben sich immer wieder dieser amtlichen Neudrucke bemächtigt.
Bereits im 18. Jahrhundert wurden u.a. in Italien und Frankreich im staatlichen Auftrag Original-Kupferstichplatten alter Meister gesammelt, überarbeitet und verstählt und zum Teil bis in die Gegenwart immer wieder abgedruckt. (siehe: Kunstblätter der Bundesdruckerei6).

Doch auch die seit etwa 1860 aufkommenden fotomechanischen Lichtdruckverfahren Phototypie, Collotypie und Albertotypie zur Wiedergabe von Halbtönen ohne Raster(!) bereiten immer wieder Schwierigkeiten bei der Echtheitsbestimmung.


Kaum eine Woche vergeht, ohne dass wir im Internet, in Auktionskatalogen, sowie auch bei unseren Gutachten mit Kunstblättern der Reichsdruckerei konfrontiert werden. Dies wäre an sich nicht so schlimm, jedoch ist uns im Laufe der Jahre das Ausmass der Fälschungen aufgefallen. In erster Linie geht es grundsätzlich um das Erkennen der Unterschiede zwischen Originalen und Werken aus der Reichsdruckerei.

Wir hören immer wieder die gleiche Frage: Wie soll ein Laie dies bewerkstelligen?
Immer wieder zweifeln Graphiksammler an dem einen oder anderen Blatt in Ihrer Sammlung, auch häufen sich die Fragen derer Erben, denn die Zahl dieser Reproduktionen ist Legion.

Wie also vorgehen, um unnötige Überraschungen beim Graphik-Kauf zu vermeiden?

- eine vernünftige Lupe und / oder ein Fadenzähler sind unabdingbar, trauen Sie niemals nur Ihren Augen.

- Lassen Sie sich beim Kauf niemals drängen, nehmen Sie sich Zeit.

- Glauben Sie niemals nur einer Quelle.

- Legen Sie sich Fachliteratur zu.  

- Rahmen Sie grundsätzlich jedes Blatt vor dem Kauf aus, ist dies nicht möglich, so ist grösste Vorsicht geboten!

- Handelt es sich um einen Fernkauf per Internet oder per Katalog, so machen Sie bitte gegebenenfalls von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch.

- Handelt es sich um eine Internetauktion, so lassen Sie sich die Echtheit explizit bestätigen.

- Handelt es sich um eine haptische Auktion, so machen Sie bitte von der Vorbesichtigung Gebrauch und lassen Sie sich die Echtheit explizit bestätigen.



Expertisen müssen per se nicht teuer sein. Bedenken Sie jedoch bitte, dass wir diese nur vornehmen, wenn uns die graphischen Blätter haptisch vorliegen. Fernexpertisen können niemals die gleiche Akribie leisten. Oder würden Sie der schlichten Abbildung eines 500 Euro-Scheines ohne weiteres die Echtheit zutrauen?


Mit herzlichem Sammlergruss,

Alain & Ursula Haezeleer

Alain F. Haezeleer
Antiquar, Sachverständiger und Gutachter für Bücher des 15.-21. Jahrhunderts
Mitglied im Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter.

Ursula Haezeleer

Antiquarin und Dipl. Sozialpädagogin.

 

Quellenverzeichnis und weiterführende Literatur:

1. Kamp, Michael. Vom Staatsdruck zum ID-Systemanbieter. 250 Jahre Identität und Sicherheit. München, Dreesbach Verlag 2013.

2. Schubert, Gustav. Die Reichsdruckerei in Berlin. Die Gartenlaube. Heft 26, S. 426–427, Leipzig 1881.

3. Reichsdruckerei (Hrsg.). Die Reichsdrucke. Eine Sammlung von Kupferstichen, Radierungen, Holzschnitten, Gemälden, Aquarellen und Pastellen in Nachbildungen der Reichsdruckerei zu Berlin. Berlin, Reichsdruckerei 1928.

4. Neuburger, Albert. Echt oder Fälschung? Die Beurteilung, Prüfung und Behandlung von Altertümern und Kunstgegenständen. Leipzig, Voigtländer 1921.

5. Arnau, Frank. Kunst der Fälscher - Fälscher der Kunst. Düsseldorf, Econ 1959.

6. Bundesdruckerei (Hrsg.). Kunstblätter der Bundesdruckerei. Berlin 1984.


Goll, Joachim. Kunstfälscher. Leipzig, Seemann 1962.

Almeroth, Thomas. Kunst- und Antiquitätenfälschungen. München, Keyser 1987.

Althöfer, Heinz et al. Fälschung + Forschung. Ausstellung Museum Folkwang Essen 1977.

Mondadori, Arnoldo (Hrsg.) Echt Falsch. München, Villa Stuck 1981

Galerie Albstadt (Hrsg.). Wa(h)re Lügen. Original und Fälschung im Dialog. Neuer Kunstverlag Stittgart 2007.

Beck, A. Original-Fälschung? Bildgebende Verfahren bei der Diagnostik von Kunstwerken. Konstanz, Schnetztor Verlag 1990.

Ahrens, Klaus und Günter Handlögten. Echtes Geld für falsche Kunst. Remchingen, Maulwurf-Verlagsgesellschft 1992.

Koch, Guenther. Kunstwerke und Bücher am Markte. Auktion - Fälschungen - Preise und was sie lehren. Esslingen, Paul Neff Verlag 1915.

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