Picasso - Original, Reproduktion, Verfälschung und Fälschung.



Picasso - Original, Reproduktion, Verfälschung und Fälschung.


Jährlich entsteht durch Graphik-Fälschungen ein Schaden von mehreren Milliarden Euro. Obwohl bereits öfters in den Medien berichtet wurde, dass 40 bis 60 Prozent der Grafiken gefälscht sind, wird trotzdem munter weiter ersteigert und gekauft.

Es kommt sogar noch schlimmer, im Laufe unserer langjährigen Recherchen mussten wir feststellen, dass von mehreren Künstlern über 90 Prozent graphische Fälschungen im Umlauf sind.

Grafik wird oft “en passant”, also im Vorbeigehen gekauft. Ob die Gründe hierfür nun falsch entgegengebrachtes Vertrauen, Gewinnabsicht und Gier oder schlicht pure Unwissenheit sind, spielt im Endeffekt keine Rolle. Getrieben werden Käufer vom Gefühl ein “Original” besitzen zu wollen und dies möglichst zu einem Schnäppchenpreis.  Die Zeit der Schnäppchen ist jedoch schon lange vorbei, wir leben vielmehr in einer Zeit des globalen Betrugs. Genau hier gilt “Caveat emptor” (lat. möge der Käufer sich in Acht nehmen).

Vor dem Kauf eines neuen Fernsehers werden Preise verglichen und Informationen eingeholt. Nicht so beim Kauf einer Grafik (obwohl der Preis eines neuen Fernsehers häufig dem einer vernünftigen Grafik entspricht). Die Gründe hierfür liegen auf der Hand, viele Käufer trauen sich die Analyse nicht zu oder empfinden dies als zu aufwendig. Eine Expertise einzuholen ist meist teuer, vor allem dann, wenn sich dabei herausstellt, dass es sich nicht um ein Original handelt.

Da der Grafikbetrug immense Ausmaße angenommen hat, haben wir uns hier für ein eindeutiges Beispiel entschieden, welches die Möglichkeiten und das tatsächliche Ausmaß des weltweiten Betrugs aufzeigt.

 

                                                                                                                                                 Picasso-Linigravures-Schuber

Pablo Picasso, eigentlich Pablo Ruiz Picasso, (* 25. Oktober 1881 in Málaga, Spanien; † 8. April 1973 in Mougins, Frankreich)
Linogravures. Mit einem Vorwort von Wilhelm Boeck.
Paris, Editions Cercle d'Art, 1962. Folio. 12 Seiten (Text) und 45 Tafeln mit Reproduktionen der Linolschnitte von Picasso. Illustriertes Original-Leinen im illustrierten Original-Schuber.

Diese 1962 erschienene Original-Ausgabe besticht durch ihre hervorragenden Reproduktionen (nach fototechnischen Klischees) auf schwerem Papier. Durch den satten  Farbauftrag, gelegentliche Abriebspuren auf der gegenüber liegenden Blanko-Seite, sowie eine leichte Prägung auf der Rückseite des jeweiligen Blattes erwecken diese meisterhaft den  Eindruck eines Originals.
Diese Ausgabe ist in keinster Weise eine Fälschung denn auf dem Titelverso erscheint der Vermerk “Reproduction reservee par S.P.A.D.E.M.”, also der eindeutige Beweis dafür, dass es sich um Reproduktionen handelt.

                                                                                                            Picasso-Linogravures-Deckblatt

Man nehme sich ein wenig Zeit und überlege wie diese Reproduktionen von den Original-Linolschnitten entstanden sind.

Die Originalplatte des Linolschnitts (auch Linogravur, Linogravüre), lässt sich leicht bearbeiten. Da es sich hier um eine Form des Hochdrucks handelt, werden alle nicht zum Druck gedachten Stellen entfernt. Die zu druckende Form erscheint erhaben, wird eingefärbt und auf das Papier übertragen.

Allerdings kommt hier ein wichtiges Detail zum Tragen: Picasso hat oft an mehreren Bildern gleichzeitig gearbeitet und da diese mehrfarbig waren mussten die jeweiligen Druckplatten passgenau zugeschnitten werden, was jedoch einen gewaltigen Arbeitsaufwand bedeutete. Sein Drucker, Hidalgo Arnéra empfahl ihm daher den Eliminationsdruck. Dies bedeutet, dass zwar mit mehreren Farben gedruckt werden kann, jedoch nur eine Platte benötigt wird. Nach dem Druck mit der ersten Farbe werden weitere Änderungen an der Platte vorgenommen und mit der zweiten Farbe gedruckt. Stellen, welche bereits eingefärbt wurden, werden entfernt, so dass die jeweils vorhergehende Farbe sichtbar bleibt. Dieses Verfahren wird auch Reduktionsdruck oder Druck mit verlorener Platte genannt.

Diese “verlorene Platte” liefert uns aber einen enorm wichtigen Hinweis. Wenn nun Reproduktionen entstehen sollen so gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Verlag hat die Original-Linolplatten ausgeliehen bekommen oder aber, was zu der Zeit üblicher war, es wurden rasterlose fototechnische Klischees angefertigt. Da aber diese Original-Linolplatten eben nicht vorhanden sein konnten wegen des Eliminationsdrucks, so bleibt nur das Klischee-Verfahren. Dies wiederum bedeutete den Einsatz von fotografischen Farbauszügen. Jeweils ein Klischee enthielt eine bestimmte Farbe des Bildes. Diese rasterlosen Klischees (meist aus Zink), hatten den gleichen Effekt wie die Original-Linolplatte, auch sie verdrängten die Farbe, sodass wie beim Original ein Quetschrand entstand.

 

                                                                                                                        Picasso-Linigravures-200fach                                              

 

In der 200-fachen Vergrößerung ist deutlich der sogenannte Quetschrand, die Verdrängung der Farben zu sehen, diese werden aber sowohl von der Original-Linolplatte wie auch vom jeweiligen Klischee verursacht.

 

                                                                                                                                            Picasso-Linogravures-Farbspuren 

 

Farbspuren, entstanden durch das Abheben des Blattes von der Vorlage. Diese Spuren können bei mehreren Originalen niemals gleich sein.

 

                                                                                                                                                                     Picasso-Linogravures-Abriebspuren  

 

Deutliche Abriebspuren auf der gegenüberliegende Seite sind kein Garant für die Echtheit !

                                                                                                                                      Picasso-Linogravures-Grafik

Grösse der Reproduktion: 26,5 x 22 cm. Original-Grösse jedoch: 65 x 53 cm



Was geschieht jedoch, wenn bösartig Blätter aus besagtem Band entfernt und einzeln zum Verkauf angeboten werden? Wenn diese Blätter nun noch einigermaßen teuer gerahmt und mit einer Unterschrift Picassos versehen werden, wird der Echtheitsnachweis schwierig. Läßt sich dann noch das Original von der Fälschung unterscheiden ?

Zunächst einmal: Die fototechnischen Klischees von den Original-Linolschnitten wurden für das Buch auf etwa ein Viertel verkleinert. Ein Blick in das Werkverzeichnis reicht aus um die Fälschung zu entlarven.

Im Internet finden sich zahllose dieser Fälschungen und Verfälschungen. Zu Preisen zwischen einigen Hundert und mehreren Tausend Euro. Über Kleinanzeigen bis hin zu namhafte Auktionshäusern werden diese Blätter verkauft und versteigert, teils sogar mit beigelegtem Gutachten, Echtheitszertifikate, etc.

Mit dem Hinweis auf Erbschaft, Dachbodenfund,  aber auch “plötzlich aufgetaucht bei Hausumbauten” oder “bei einer Reise von einem ehemaligen Picasso Drucker gekauft”, wird die Provenienz frei erfunden. Picassos Signatur wird schlichtweg skrupellos gefälscht.

Zusammenfassend läßt sich feststellen: Letztendlich lässt sich diese Art von Verfälschung der Originale am einfachsten an der jeweiligen Blattgröße feststellen, was jedoch nicht den Rückschluß zulässt, dass es sich bei den Blattformaten in Originalgröße automatisch um Originale handelt. Hier sind umfassende Kenntnisse sowie eine hervorragende Fachbibliothek nicht nur von grossem Vorteil, sondern unerlässlich.


Quellenverzeichnis und weiterführende Literatur:

Baer, Brigitte und Bernhard Geiser.
Picasso Peintre-Graveur. Catalogue raisonnee de l'oeuvre gravé et des monotypes 1899-1972. 8 Bände. Bern Kornfeld 1986-1996.

Bloch, Georges.
Pablo Picasso. Catalogue de l'oeuvre gravé et lithographié. Catalogue of the printed graphic work. Katalog des graphischen Werkes. 4 Bände. Bern, Kornfeld  1968-1979.

Arnau, Frank.
Kunst der Fälscher, Fälscher der Kunst. Dreitausend Jahre Betrug mit Antiquitäten. Düsseldorf, Econ 1959.

Neuburger, Albert.
Echt oder Fälschung? Die Beurteilung, Prüfung und Behandlung von Altertümern und Kunstgegenständen. Ein Handbuch für Museumsleiter, Sammler, Liebhaber, Chemiker usw.
Leipzig. Voigtländer, 1924.

Krüger, Otto.
Das Illustrationsverfahren. Eine vergleichende Behandlung der verschiedenen Reproduktionsarten , ihrer Vorteile, Nachteile und Kosten. Leipzig, Brockhaus 2. Auflage, stark erweitert 1929.

 

 

 

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